V. Stadt- und Gemeindewerke: Netzbetreiber, Lieferanten, Erzeuger
Die Belieferung ihrer Bürger mit Strom und Erdgas ist das klassische Tätigkeitsfeld der kommunalen Stadt- und Gemeindewerke. Historisch bedingt gibt es in Rheinland-Pfalz dabei regionale Unterschiede. Stadt- und Gemeindewerke sind in den wenigsten Fällen selbst Energieerzeuger, sondern beschaffen die Energie beim Strom- bzw. Energiehandel; in aller Regel sind sie zudem Betreiber des Verteilnetzes im Gebiet ihrer Trägerkommune.
In Rheinland-Pfalz betreiben rund 50 kommunale Netzbetreiber – schwerpunktmäßig im Süden des Landes – die örtlichen Verteilnetze im Nieder- und Mittelspannungsbereich (d. h. bis 30 kV); im Norden des Landes sind es, historisch gewachsen, meist größere private Unternehmen mit oft auch sehr großen Netzgebieten. Soweit solche Netze nicht über die Landesgrenze hinausgehen und weniger als 100.000 Kunden angeschlossen sind, unterliegen die Betreiber der Aufsicht der Landesregulierungsbehörde, im Übrigen der Aufsicht der Bundesnetzagentur (BNetzA).
Jeder Energielieferant muss zwangsläufig die zwischen der Erzeugungsanlage und dem Letztverbraucher liegenden Verteilnetze nutzen. Dafür hat er ein Netznutzungsentgelt an den jeweiligen Betreiber zu entrichten, selbst für das Netz im eigenen Konzern (unbundling). Dieses Entgelt wird seit 2006 von der Bundesnetzagentur bzw. den Landesregulierungsbehörden festgesetzt, seit 2009 im Wege der sogenannten Anreizregulierung.[1] Idee der Anreizregulierung ist es, für die Netzbetreiber finanzielle Anreize für effiziente Betriebs-, Organisations- und Kostenstrukturen zu schaffen, die sie – angesichts der faktischen Monopolstellung in ihrem Netzgebiet – nicht zwangsläufig aus sich heraus haben. Die Netzentgelte werden dabei auf Basis einer (und hochkomplexen) Kostenkalkulation (einschl. einer Gewinnmarge) ermittelt und von der Aufsichtsbehörde genehmigt (Prinzip des simulierten Wettbewerbs).[2] Dieses Anreizsystem musste vielfach angepasst und reformiert werden. Zuletzt ergab sich dies insbesondere aus der regional unterschiedlichen Belastung der Netzbetreiber und damit auch der Entgelte durch den notwendigen Netzaus- bzw. umbau (Nord-Süd-Gefälle). Ziel ist nun die Einführung bundesweit einheitlicher Netzentgelte. Die Rechtsgrundlagen dafür wurden Ende 2023 geschaffen und die Anzreizregulierungsverordnung wird Ende 2028 aufgehoben.[3]
Mit der Energiewende betätigen sich Kommunen – anders als bisher – zunehmend auch als Betreiber (oder Mitbetreiber) von Anlagen der Energieerzeugung, vornehmlich im Bereich der erneuerbaren Energien Wind, Sonne und Erdwärme. Die Beweggründe sind vielfältig. Meist geht es um einen Beitrag zum Klimaschutz, um Energieautarkie, um Wertschöpfung vor Ort sowie - zumindest überwiegend – natürlich auch um direkte Erträge zugunsten der kommunalen Haushalte.
Wärmenetze sind durch eine große technische Vielfalt gekennzeichnet. Im kommunalen Bereich handelt es sich oft um Nahwärmenetze (auch mit sog. „kalter Nahwärme“). Energiequellen sind vorrangig Erdwärme und Kraft-Wärme-Kopplung (BHKW), letztere wiederum meist aus erneuerbaren Energien wie Biogas. Die Anordnung des kommunalrechtlichen Anschluss- und Benutzungszwangs ist dabei an recht strenge Voraussetzungen gebunden. Es müssen Gemeinwohlgründe und der Bezug zur örtlichen Gemeinschaft vorliegen. Rein fiskalische oder wirtschaftliche Interessen genügen jedenfalls nicht. 2016 hatte das BVerwG klargestellt, dass der damalige § 16 EEWärmeG (überführt in § 109 GEG) eine – neben den landesrechtlichen Regelungen (hier: § 24 GemO) stehenden – eigenständige bundesrechtliche Begründung für den Anschluss- und Benutzungszwang auf dem Gebiet der Luftreinhaltung zum Zwecke des Klima- und Ressourcenschutzes schafft, und zwar „… ohne Rücksicht darauf, ob er das globale Gesamtklima oder das lokale Kleinklima betrifft“.[4]
Seit der Liberalisierung der Energiewirtschaft und der Energiewende ist die kommunale „Energielandschaft“ durch eine enorm hohe Dynamik gekennzeichnet. Stadt- und Gemeindewerke müssen neue Geschäftsfelder erschließen, um im Wettbewerb besser bestehen zu können; dazu gehören beispielsweise der Bau und Betrieb von Wärmenetzen oder die Schaffung von Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität. Viele Stadt- und Gemeindewerke, inzwischen aber auch viele Städte und Gemeinden im ländlichen Raum ohne eigenes Stadt- oder Gemeindewerk betätigen sich zunehmend im Betrieb eigener, meist kleiner und dezentraler Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien. Meist erfolgt dies auf Basis interkommunaler Kooperation und/oder zusammen mit privaten Kooperationspartnern. Dabei erlangt die sogenannten Sektorenkopplung immer mehr an Bedeutung. Gemeint ist damit die Verknüpfung des Energiesektors mit den energierelevanten Aktivitäten anderer Sektoren. Es geht um die Vernetzung zentraler und dezentraler Energienetze, vorrangig Stromnetze, in denen die einzelnen Erzeugungs- und Verteilungsanlagen, die Energiespeicher sowie die energieverbrauchenden Anlagen, Maschinen, Geräte oder etwa Elektrofahrzeuge unter- und miteinander „kommunizieren“. Über ausgeklügelte Steuerungsmechanismen soll damit eine optimale und effiziente Energieerzeugung, -verteilung und -nutzung sowie eine hohe Netzstabilität erreicht werden (Stichwort: Regelenergie). Das alles stellt enorm hohe Anforderungen an die Steuerung und Datenübertragung, wozu zunehmend auch Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen soll (sog. „Smart Grids“, smart = „clever“, „pfiffig“, „intelligent“). Eine weitere Spielart ist das sog. „Smart Lighting“, d.h. die Erweiterung der Licht-masten und -stelen um weitere Funktionen und Sensoren, insbesondere Ladestationen, WLAN-Module, Video-Überwachung, Sensoren für das Verkehrsmanagement, Parkplatz-Detektion, webbasierte Fernverwaltung bzw. -wartung der Leuchten oder der Einsatz der Leuchten als Gestaltungselement (Dimmung, Lichtfarbe usw.).
[1] Verordnung über die Anreizregulierung der Energieversorgungsnetze (Anreizregulierungsverordnung – ARegV) vom 29. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2529), in der jeweils geltenden Fassung. In diesen Regulierungsbereich gehören auch die Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) und die Gasnetzentgeltverordnung (GasNEV).
[2] Ausführlich dazu auf www.bundesnetzagentur.de, dort unter Fachthemen.
[3] Gesetz zur Anpassung des Energiewirtschaftsrechts an unionsrechtliche Vorgaben und zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften (EnWRAnpG 2024) vom 22. Dezember 2023, BGBl. 2023 I Nr. 405.
[4] BVerwG, Urteil vom 8. September 2016 – 10 CN 1/15 –, juris; Zitat aus Rn. 12