4. Übergang zur neuen Rechtslage

Neben den rechtlichen und haushalterischen Konsequenzen des § 2b UStG beschäftigt die Verwaltungen der Kommunen und auch anderer jPdöR vor allem die organisatorische Dimension des Umstellungsprozesses.

Die Neuregelung ist zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten und frühestens ab dem 1. Januar 2017 anzuwenden. Die meisten Kommunen haben jedoch von der Wahlmöglichkeit einer verlängerten Übergangsregelung (Optionserklärung) Gebrauch gemacht, so dass das neue Recht grundsätzlich erst für nach dem 31. Dezember 2024 (§ 27 Abs. 22 und 22a UStG; siehe auch Ausführungen zu Tz. 1) ausgeführte Umsätze anzuwenden ist. Dieser Übergangszeitraum soll die jPdöR in die Lage versetzen, die steuerlichen Pflichten nach neuem Recht zu erfüllen und den komplexen Umstellungsprozess erleichtern.

Innerhalb der jPdöR ist es für eine erfolgreiche und vor allem gesetzeskonforme Anwendung des neuen Rechts von entscheidender Bedeutung, inwieweit die Anforderungen des neuen Besteuerungsregimes mit einer erheblichen Ausweitung des umsatzsteuerrelevanten Unternehmensbereiches („Rahmen des Unternehmens“) überhaupt strategisch umsetzt und ordnungsgemäß in die Abläufe der Verwaltung integriert werden.

Um Letzteres zu gewährleisten, sind zunächst die vollständige Transparenz über die Vertrags- und Leistungsbeziehungen der Kommune herzustellen und eine Dokumentation und Bewertung der umsatzsteuerrelevanten Sachverhalte bzw. Ausgangsleistungen vorzunehmen. Die vorgenannte Dokumentation ist insbesondere im Hinblick auf die später folgenden Prüfungshandlungen der Finanzverwaltung von großer Bedeutung. Mit der Untersuchung und Bewertung der Ausgangsleistungen können bzw. müssen teilweise Vertragsänderungen sowie Anpassungen im Bereich der Prozesse und Vorgehensweisen in den Verwaltungen erfolgen.

Aufgrund dieser umfassenden Neujustierungen ist es in einem ersten Schritt ratsam, seitens der Steuerverantwortlichen eine Sensibilisierung der Führungsebene (Oberbürgermeister, Bürgermeister, Stadtvorstand, Landrat usw.) sowie der Ämter außerhalb der Kämmerei bzw. des Steueramtes herbeizuführen. Auch bedarf es gezielter Informationen und/oder Inhouse-Schulungen der Beschäftigten. Unabhängig von der Größe der Verwaltung sollte eine Projektgruppe „Einführung § 2b UStG“ – oder zusammen mit dem Thema Tax Compliance (siehe Tz. 5) – „Einführung § 2b UStG und Tax ­Compliance“ initiiert werden, innerhalb derer eindeutige Verantwortlichkeiten für alle Beteiligten festgelegt werden.

Unabdingbar für alle Kommunen ist eine vollständige steuerrechtliche Neubewertung der Ausgangsleistungen (Einnahmen) unter den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen des § 2b UStG. Daher sind bei den Einnahmen, welche nach den allgemeinen umsatzsteuerlichen Kriterien des § 2 Abs. 1 UStG eine wirtschaftliche Tätigkeit mit Einnahmeerzielungsabsicht begründen in einem zweiten Schritt diejenigen herauszufiltern, die auf privatrechtlicher Grundlage erbracht werden. Darüber hinaus sind die öffentlich-rechtlichen Tätigkeiten von Bedeutung, die in ihrer Umsetzung bislang auf privatrechtlichen Vereinbarungen basieren.

⇒ Beispiel: „Schwimmbad“

Sofern der Betrieb eines Schwimmbades durch einen Eigenbetrieb (öffentlich-rechtlich) erfolgt, kann die Benutzungsordnung auf der Grundlage Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) erlassen oder das Eintrittsentgelt als Nutzungsentgelt und nicht als Gebühr erhoben werden; folglich werden in diesen Fällen mit den Nutzern privatrechtliche Verträge geschlossen.

Um systematisch und transparent voranzukommen, sollten alle umsatzsteuerrelevanten Sachverhalte dokumentiert werden. Dies kann z. B. durch Aufbau einer Datenbank, die u. a. der Einordnung der unternehmerischen Tätigkeiten in privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Handlungsform, deren buchhalterische Erfassung sowie die Zuordnung der jeweiligen Eingangsumsätze auf Basis der bestehenden Kostenstellen/Kostenträger sowie der bestehenden Steuerschlüssel beinhaltet, erreicht werden. Eine diesbezügliche Excel-Tabelle, die den Kommunen als Hilfestellung dienen kann, kann über die Kommunalen Spitzenverbände bezogen werden.

Im Zuge der Umsetzung der vorgenannten Maßnahme ist es auch sinnvoll, eine Erfassung der umsatzsteuerrelevanten Daten der Eigenbetriebe und der Organgesellschaften in der Rechnungslegung der Kernverwaltung zu ermöglichen. Zudem bietet sich an, im Rahmen der Leistungs- und Vertragsinventur eine zentrale Vertragsdatenbank mit steuerrechtlichen Hinweisen zu konzipieren und aufzubauen.

Die Erstellung der beschriebenen Dokumentation samt Vertragsdatenbank bietet u. a. folgende Vorteile:

  • Überblick über alle Vertragsbeziehungen jedes Bereichs
  • Prüfungsmöglichkeiten zur Identifizierung von Synergien und Kostenvorteilen
  • Schaffung zentraler Auswertungsmöglichkeiten und Plausibilitätsprüfungen als ein wichtiges Instrumentarium für eine einheitliche Rechtsanwendung und Qualitätssicherung
  • Vollständige Analyse der Einnahmen und Ausgaben und deren Bewertung
  • Dokumentation gegenüber der Finanzverwaltung
  • Übersicht und Dokumentation für die Aufstellung des Jahresabschlusses

In dem dann folgenden dritten Schritt können die identifizierten, umsatzsteuerrelevanten Sachverhaltsgruppen nach der ab 2025 geltenden neuen Gesetzeslage des § 2b UStG steuerrechtlich einheitlich beurteilt werden. Hieraus resultieren folgende positive Aspekte:

  • Mögliche Reduzierung von Investitionskosten – Analyse der zukünftig geplanten Investitionen vor dem Hintergrund potentieller (ggf. bereits aktuell schon möglicher) Vorsteuerabzüge
  • Frühzeitiges Erkennen von Auswirkungen eines möglichen Vorsteuerabzugs auf beantragte oder zukünftige Landesförderungen
  • Vorbereitung bzw. Anpassung von Schnittstellen im System frühzeitig möglich (z. B. auch der Schnittstelle zu den Beteiligungen)
  • Anpassung bzw. Änderung bestehender Verträge, Gebührensetzungen, etc. frühzeitig möglich (z. B. zur rechtskonformen Vermeidung von zukünftig entstehender Umsatzsteuer oder um neue Preiskalkulationen vornehmen zu können)

Die Kommunen sollten zudem sicherstellen, dass eine Berücksichtigung von möglichen zukünftigen steuerlichen Rechtsänderungen erfolgt und im Falle von möglichen Personalveränderungen eine unmittelbare Einarbeitung und Weitergabe der bestehenden Steuerrechtskenntnisse an das neue Personal erfolgt.

Aufgrund der komplexen steuerrechtlichen Regelungen und den daraus entstehenden potentiellen Risken (z. B. Leichtfertige Steuerverkürzung oder gar Steuerhinterziehung) für die letztlich verantwortlichen Personen (in der Regel Oberbürgermeister, Bürgermeister, etc.) wird dringend empfohlen, sofern nicht im zweiten und dritten Schritt bereits berücksichtigt, in einem vierten Schritt ein Tax Compliance Management-System zu implementieren.

Autor: Sebastian Kirschbaum Drucken voriges Kapitel nächstes Kapitel