I. Ausübung des Mandats im Zusammenhang mit Sitzungen des Gemeinderats
1. Antragsrecht
Nach § 30 Abs. 4 GemO hat jedes Ratsmitglied das Recht, in dem Gemeinderat und in den Ausschüssen, denen es angehört, Anträge zu stellen. Das Recht des einzelnen Ratsmitglieds ist dabei auf Anträge (Sachanträge, Änderungsanträge, Anträge zur Geschäftsordnung) zu den Gegenständen beschränkt, mit denen sich der Gemeinderat bzw. der Ausschuss nach der festgesetzten Tagesordnung zu befassen hat. Das Antragsrecht kann also nur im Rahmen einer Sitzung ausgeübt werden und muss sich auf die Behandlung eines Beratungsgegenstandes beziehen, der auf der Tagesordnung steht. Mit dem Antragsrecht korrespondiert das Vorschlagsrecht bei Wahlen, das ein personenbezogenes Antragsrecht darstellt.
2. Beratungsrecht
Eine grundlegende Befugnis des Ratsmitglieds ist das Beratungs- oder Rederecht. Es darf zwar im Einzelnen ausgestaltet und insofern auch eingeschränkt, jedoch grundsätzlich nicht entzogen werden. Zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Rates kann zum Beispiel das Rederecht durch Regelungen in der Geschäftsordnung eingeschränkt werden. Die Einschränkung des Rederechts des einzelnen Ratsmitglieds kann auch zugunsten der Fraktionen erfolgen.
3. Recht auf ordnungsgemäße Einladung
Die angemessene Ausübung derjenigen Rechte, die zur ordnungsgemäßen Ausübung des Mandats unabdingbar sind – Teilnahmerecht an Sitzungen, Beratungs-/Rederecht, Antragsrecht, Vorschlagsrecht und Stimmrecht – setzt voraus, dass das Ratsmitglied form- und fristgerecht zu der Sitzung eingeladen wird. Es besteht daher auch ein Recht auf ordnungsgemäße Einladung.
4. Recht zur Fraktionsbildung
Nach § 30 a Abs. 1 GemO können sich Ratsmitglieder zu Fraktionen zusammenschließen. Eine Fraktion muss mindestens aus zwei Mitgliedern bestehen. Der Gesetzgeber hat bei der Normierung des Fraktionsrechts Zurückhaltung geübt. Neben der Regelung der Fraktionsmindeststärke in § 30 a Abs. 1 Satz 2 GemO schreibt § 30 a Abs. 2 GemO lediglich vor, dass die Bildung von Fraktionen dem Bürgermeister anzuzeigen ist.
5. Stimmrecht
Aus der Rechtsstellung der Ratsmitglieder und damit letztlich aus der allgemeinen Regelung des § 30 Abs. 1 GemO ergibt sich auch das Recht, bei Abstimmungen und Wahlen das Stimmrecht auszuüben. Das Stimmrecht kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen ruhen. § 22 GemO untersagt es, unter den dort näher geregelten Voraussetzungen, beratend und entscheidend mitzuwirken (vgl. hierzu den folgenden Beitrag „Sonderinteresse“).
Bei konstituierenden Sitzungen, Satzungsbeschlüssen sowie geheimen Abstimmungen und Wahlen können die Ratsmitglieder ihr Stimmrecht ausschließlich in der Präsenzsitzung des Gemeinderats ausüben. Für diese Angelegenheiten hat der Gesetzgeber die Möglichkeit einer digitalen Sitzungsteilnahme (Hybridsitzung) ausgeschlossen (vgl. § 35 a Abs. 1 Satz 5 GemO).
6. Teilnahmerecht an Sitzungen
Das Recht auf Teilnahme an den Ratssitzungen ist ebenfalls eine grundlegende Befugnis, die die Wahrnehmung des Mandates erst ermöglicht. Nur in den engen Grenzen des § 38 GemO kann einem gewählten Ratsmitglied die Teilnahme an einer Ratssitzung verwehrt werden. Nach § 38 Abs. 1 GemO kann der Vorsitzende Ratsmitglieder bei grober Ungebühr oder bei Verstoß gegen die Bestimmungen der Geschäftsordnung zur Ordnung rufen. Nach dreimaligem Ordnungsruf kann er Ratsmitglieder von der Sitzung ausschließen und erforderlichenfalls zum Verlassen des Sitzungsraumes auffordern. Nach § 38 Abs. 4 GemO hat der Ausschluss von den Sitzungen des Gemeinderats den Ausschluss von allen Ausschusssitzungen für die gleiche Dauer zur Folge.
Schließlich können Ratsmitglieder, die einem Ausschuss nicht angehören, an den öffentlichen und nicht öffentlichen Sitzungen gemäß § 46 Abs. 4 Satz 2 GemO als Zuhörer teilnehmen; § 22 GemO gilt sinngemäß.
Im Falle von Hybridsitzungen können technische Störungen das Teilnahmerecht beeinträchtigen. Nicht in den Verantwortungsbereich der Gemeinde fallen allgemeine Netzstörungen außerhalb der Gemeindeverwaltung (§ 35 a Abs. 2 Satz 4 und 5 GemO). Da die Sitzung in diesem Fall fortgesetzt werden darf, muss die damit verbundene Beeinträchtigung der Rechte und Pflichten der von der Störung betroffenen Ratsmitglieder aus Gründen der Funktionsfähigkeit der Ratsarbeit und der Freiwilligkeit einer audiovisuellen Teilnahme hingenommen werden. Die digital zugeschalteten Ratsmitglieder tragen also beispielsweise auch das Risiko einer individuell nicht ausreichend stabilen Internetverbindung.